Unbegrifflichkeit als Erkenntnis. Hans Blumenberg und die Epistemologie
Erste Sitzung: 24.10, IG
4.401, 16-18 Uhr c.t.
Blumenbergs Monographien beschäftigen sich mit Themen aus den verschiedensten Bereichen: Poetik, Phänomenologie, Geschichtswissenschaft, Technikphilosophie, Ästhetik sowie dem ihm eigenen Forschungsinteresse der »Metaphorologie«. Darüber hinaus bietet sein posthum veröffentlichtes Fragment einer »Theorie der Unbegrifflichkeit« alternative Zugänge zu epistemologischen Fragen. Ist Begriffsbildung der Erkenntnis vorausgesetzt? Was passiert, wenn Begrifflichkeit in ihrer Sprachebene nicht in der Lage ist, ihr Subjekt zu erfassen? Der Prozess der Erkenntnis scheint mit einem Verlust verbunden zu sein, der durch seinen scheinbaren Gegensatz, das Unbestimmte, dennoch einen pragmatischen Zweck erfüllen muss. Müssen, weil das Unbestimmte, wie Blumenberg es in der Metaphorik beobachtet, »der Intentionalität durch einen Kunstgriff des Umverstehens integriert«¹ wird. Etabliert Blumenberg eine Theorie der Unbegrifflichkeit, definiert er den Begriff über die Abwesenheit seines Gegenstandes. Vertritt die Sichtbarkeit noch die räumliche Erfahrbarkeit des Gegenstandes, bleibt bei einer Vergrößerung der räumlichen und zeitlichen Distanz der Begriff zurück, der nun selbst die Skala der sinnlichen Erfahrbarkeit repräsentiert. Entspringt der Begriff aus der actio per distans, aus dem Handeln auf räumlicher und zeitlicher Entfernung, so existiert ein Unterschied zwischen der Bestimmtheit, die Erzählungen über vergangene Geschehen beinhaltet, und der Unbestimmtheit, die sich auf alle möglichen Ereignisse und Gegenstände bezieht.
Der Titel dieses Kurses schlägt vor, Unbegrifflichkeit erstens als eigenständige Theorie Blumenbergs zu rekonstruieren, zweitens sie mit erkenntnistheoretischen Aspekten zu vergleichen, die sich aus den Werken erarbeiten lassen und in der Rezeption selten Anschluss finden. Es werden zentrale Begriffe Blumenbergs wie Metaphorologie, Mythos und ihre Korrelation zu epistemischen Positionen untersucht. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Fragestellung, ob und inwiefern Unbegrifflichkeit zwischen »nicht erreichter und nicht erreichbarer Eindeutigkeit«² zu einer differenzierten Fassung negierter Eindeutigkeit beiträgt.
¹ Blumenberg, Hans, »Ausblick auf eine Theorie der
Unbegrifflichkeit«, in: ders., Ästhetische und metaphorologische
Schriften, Berlin 2017: Suhrkamp 194.
² Ebd. 197.
Individuelle Vorschläge zu Literatur oder anschließender Topoi sind willkommen. Das Tutorium schätzt einen interdisziplinären Ansatz und richtet sich auch an Studierende außerhalb der Philosophie, Voraussetzung ist eine wöchentliche Auseinandersetzung mit der angegebenen Literatur.
Kontakt: Alisa Geiß, geiss@uni-frankfurt.de