Systemdenken in Beratung und Therapie
Systemische Methoden zielen in besonderer Weise darauf, Instabilität zu ermöglichen: Festgefahrene Denk-, Erwartungs- und Verhaltensroutinen, starre und unproduktive Kommunikationsmuster, sollen verstört werden. Das gilt in prinzipiell ähnlicher Weise für Beratung und Therapie mit Einzelnen, Paaren und Familien, fürs Coaching von Führungskräften oder Arbeitsgruppen, für die Supervision oder Organisationsberatung mit Teams, zum Beispiel in der Schule, oder für Mediation in durch divergierende Interessen gekennzeichnete Konfliktkonstellationen.
Ein „Problem“, ob Angst- und Panikzustände, unkontrollierbares Verlangen am Automaten zu spielen, aggressives Verhalten eines Schülers, Leistungsprobleme am Arbeitsplatz oder chronische Konflikte einer Führungskraft mit Mitarbeiterinnen, betrachtet systemisches Denken nicht als „Wesensmerkmal“ eines isolierten Individuums, sonders als Interaktions-/Kommunikationsgeschehen. An der Erzeugung und Aufrechterhaltung eines Problems sind Viele beteiligt, institutionelle Kontexte, Kommunikationsmuster, Ideologien oder unbefragte soziale Routinen und Glaubenssätze.
Zentrale Fragen lauten z. B.: Wie erzeugen Menschen in sozialen Systemen gemeinsam eine Wirklichkeit? Zum Beispiel ein Problem? Welche Kommunikationsmuster sorgen für dessen Chronifizierung? Welche Prämissen liegen ihrem Denken und Erleben zugrunde? Welche Möglichkeiten gibt es, diese Prämissen kritisch zu hinterfragen und praktisch zu verändern? Wie lassen sich Möglichkeitsräume erweitern und Handlungsoptionen vervielfältigen? Letztendlich neue Freiheitsspielräume gewinnen?
Eine ganz besondere Bedeutung kommt dabei der Kunst des Fragens zu. Systemische Beratung hat spezielle Fragetechniken entwickelt, um Bewegung ins verfestigtes Interaktionsgeschehen zu bringen.
Entwicklung und Begründung des Konzepts basiert auf interdisziplinärer Kooperation verschiedener Wissenschaftsgebiete: (Neuro)Biologie, Chaos- und Komplexitätsforschung, Konstruktivismus bzw. Konstruktionismus, Linguistik, Kommunikationsforschung, soziologische Systemtheorie, Familienforschung und -therapie. Ein verbindender Schlüsselbegriff heißt: Selbstorganisation. Ursprünglich naturwissenschaftlicher Herkunft, fand er zunehmend und folgenreich Anwendung im systemsoziologischen Denken.
Wie schon angeklungen lautet eine übergreifende Grundüberzeugung: „Wirklichkeit“ wird als soziale Konstruktion angesehen, als eine Art der „Einigung“ eines sozialen Systems auf bestimmte Weisen der Beschreibung der Welt, nicht als etwas, das objektiv und ein für alle Mal Gültigkeit besitzt.